Geburtsbericht von

Annika P.

Turbotraumgeburt

Eigentlich dachte ich, ich wäre sehr gut auf die Geburt vorbereitet:

Ich bin selbst Anästhesistin, kenne also den Geburtsablauf theoretisch und aus der Sichtweise derjenigen, die eine PDA legt oder zum Kaiserschnitt oder sogar Notkaiserschnitt dazu kommt.

Aber das wollte ich nicht. Ich wollte eine möglichst natürliche Geburt, ohne Intervention. Eine Hausgeburt war mir dann aber doch zu weit weg von allem, was man braucht, falls doch etwas nicht ideal verlaufen sollte… Durch meinen Beruf habe ich schon so einiges gesehen, was dazu führt, dass ich die Sicherheit eines großen Krankenhauses im Hintergrund haben wollte.

Eine Freundin erzählte mir von ihrer schmerzlosen Geburt mit Hypnobirthing. Ich hatte es nicht glauben können, war von der Idee aber angefixt. Danach erzählte mir eine Cousine von ihrer wunderbaren Hausgeburt, auf welche sie sich mit der friedlichen Geburt vorbereitet hatte, was mir nach kurzer Recherche viel näher lag als Hypnobirthing.

Da ich schon immer Interesse am Meditieren, aber nie einen Zugang dazu gefunden hatte, dachte ich mir “das ist das perfekte Bindeglied zwischen natürlicher Geburt und trotzdem großes Krankenhaus im Hintergrund.” Außerdem würde ich so einen Zugang zum Meditieren bekommen und mich in Ruhe damit beschäftigen können, denn ab der 20. Woche war ich im Beschäftigungsverbot und hatte entsprechend viel Zeit.

Ich übte jeden Tag, oft sogar mehrfach. Und obwohl ich mich als absoluten Kopfmensch bezeichnen würde, klappte es immer besser und schneller, in die Tiefenentspannung zu kommen. Sogar meinen Mann konnte ich für die Methode begeistern, wir setzten mehrfach die Anker und er unterstützte mich voll und ganz.

Ich war zuversichtlich und freute mich auf meine entspannte, möglichst schmerzarme Geburt. Listen (was für meinen Mann zu tun sei, wenn es los geht) waren geschrieben, Tasche gepackt, alles vorbereitet. Und zwar schon ab der 34. Woche, da ich in der 30. Woche eine seltene Schwangerschaftskomplikationen entwickelt hatte: einen intrahepatischen Gallestau, der mich mit furchtbarem Ganzkörperjuckreiz und der Sorge einer Früh- oder Totgeburt quälte (da half Tiefenentspannung nur wenig, aber immerhin etwas).

Seit der Diagnose hatte ich meinem Baby immer wieder nahe gelegt, dass es sehr gerne früher kommen dürfe: gern zwei Wochen oder so…

Nebenbei war auch noch die dritte Coronawelle in vollem Gange, beziehungsweise gerade die sogenannte britische Variante auf dem Vormarsch. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Empfehlung zur Impfung von Schwangeren und ich hatte richtig Angst, mich anzustecken. Die ersten beiden Wellen hatte ich auf der Intensivstation viele Patienten mit COVID betreut, den harten Kampf und das Sterben gesehen. Ich wollte nicht in der Spätschwangerschaft beatmet auf dem Bauch liegen und schon gar nicht mein Kind als Halbwaise zurücklassen. Umso größer war die Erleichterung, als meine Gynäkologin mir trotz fehlender Empfehlung zusicherte, mich noch in der Schwangerschaft zu impfen. Die erste Impfung erhielt ich in der 35. SSW, danach sagte ich immer “die zweite Impfung möchte ich noch haben, dann kann das Baby kommen”. Die zweite Impfung war drei Wochen später, für den 2. Juni geplant. Ein paar Tage vorher rief mich die Praxis an, ich müsse schon am 1. Juni kommen, da es organisatorisch anders nicht möglich sei. “Umso besser” dachte ich mir, ging am 1. Juni morgens draußen bei bestem Wetter mit zwei Freundinnen frühstücken (die Gastro war gerade erst wieder eröffnet und es ging nur mit offiziellem negativen Test) und ließ mich nachmittags impfen. Um keine Reaktion zu provozieren, blieb ich den Rest des Tages gemütlich im Bett und hatte dies auch für den nächsten Tag geplant. Ich hörte eines meiner liebsten Hörbücher, übte Tiefenentspannung und genoss es in vollen Zügen, einfach im Bett zu liegen, nichts zu tun zu haben und das besser werdende Wetter draußen zu beobachten (unser Bett steht am Fenster, welches ich sehr weit öffnen kann und dann quasi mit dem Bett in der Baumkrone des im Hof wachsenden Baumes liege).

Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mir in den Mentaltrainings den Beginn meiner Geburt immer genau so vorgestellt habe, es aber in dem Moment nicht merkte…

Am 2. Juni, dem Tag nach der zweiten Impfung, blieb ich also auch hauptsächlich im Bett. Als ich morgens aufstand, um eine Kleinigkeit zu frühstücken, spürte ich ein sehr leichtes Ziehen, das ich als Senkwehe interpretierte. Es folgten noch ein paar leichte Wellen, die mich aber nicht beunruhigten. Ich sagte meinem Mann, dass es möglicherweise in den nächsten Tagen los gehen könnte, denn diese Wellen fühlten sich anders an als die Übungswellen sonst. Da sie aber auch schnell wieder verflogen waren, machte ich mir keinen weiteren Kopf darüber. Über den Tag kamen sie immer mal wieder, waren aber dann auch schnell wieder weg. Mittags machte ich 2 Stunden Mittagsschlaf, dann lag ich weiter herum und hörte das Hörbuch, träumte vor mich hin. Um 18:30 Uhr stand ich auf, um mir Abendbrot zu machen. Das war das erste Mal, an dem ich dachte: “Huch! Das fühlt sich jetzt tatsächlich wie eine Welle an: es kommt und geht und hat einen Höhepunkt. Außerdem kommt und geht es regelmäßig alle 5 Minuten.” Aber es war absolut schmerzlos und ich eine Erstgebärende, deshalb nahm ich es nicht ernst, dachte, es sei mit Sicherheit falscher Alarm. Ich kochte mir mein Abendessen, aß in Ruhe, legte mich danach wieder ins Bett und machte die Geburtsvorbereitung lang. Währenddessen registrierte ich fünf Wellen. Mittlerweile war es 20 Uhr und ich dachte mir “vielleicht geht es doch heute noch los”. Also suchte ich Kleidung raus, die ich zur Fahrt in die Klinik anziehen wollte, legte meinen Mutterpass und meine Krankenkassenkarte bereit. Dabei wurden die Wellen ziemlich intensiv und wann immer ich während einer Welle komplett im Kopf war (wo ist meine Krankenkassenkarte?), auch schmerzhaft – trotzdem war ich noch immer nicht überzeugt davon, dass das nun Geburtsbeginn sei. Gegen 20:20 Uhr telefonierte ich mit meiner Schwester (Hebamme), währenddessen musste ich mehrfach das Telefon zur Seite legen, vor dem Bett knien und atmen. Sie fand, “es klingt alles ganz nach Geburt” also rief ich meinen Mann an, der noch die erste Chorprobe seit Beginn des Lockdowns leitete. Ich sagte ihm am Telefon, er solle sich nach der Probe nicht mehr festquatschen, sondern nach Hause kommen, es könne sein, dass es langsam losginge (da hatte ich schon alle 3 Minuten Wellen).

Zum Glück ignorierte er meinen Vorschlag und kam sofort nach Hause… Als er um 21:00 Uhr zu Hause eintraf, konnte ich alle 3 Minuten nicht mehr sprechen, hielt mich am Schrank im Flur fest und fluchte: “so habe ich mir das nicht vorgestellt” – ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell so intensiv werden würde. Trotzdem hatte ich mir den Kopf gesetzt, ich müsste noch dringend duschen, Haare waschen und er müsse das Bett komplett frisch beziehen. Er tat, wie ihm geheißen, kam aber sorgenvoll immer wieder ins Bad, um nach mir zu sehen – ich kniete in der Badewanne (stehen ging nicht und zurückgelegt sitzen schon gar nicht) und duschte mich.

Nachdem ich der Badewanne entstiegen war und auch beim Haareföhnen alle 2-3 Minuten Pause machen musste, schlug mein Mann vor, wir könnten doch langsam ins Krankenhaus fahren. Ich wollte auf keinen Fall! Ich hatte Sorge, als Erstgebärende mit unreifem Muttermund nach Hause geschickt zu werden und ich wollte auch nicht aus meiner warmen Höhle. Ich wollte mich ins frische Bett legen, Kopfhörer auf und mich in die Tiefenentspannung begeben. Das habe ich genau 2 Minuten lang getan, dann kam die nächste Welle und ich sprang wie angestochen aus dem Bett. Liegen war keine Option. Das war der Moment, in dem ich seinem Drängen nachgab, ihn im Kreissaal anrufen ließ, mich anzog und auf den Weg zum Auto machte, ich hatte aber keine Chance, in die Trance zu kommen. Um 21:40 Uhr saßen wir im Auto. Wir besitzen kein eigenes Auto, sondern nutzen in Berlin Carsharing, zum Glück stand das Auto, mit dem mein Mann 45 Minuten zuvor nach Hause gekommen war, noch vor der Tür. Das Sitzen im Auto war für mich extrem unangenehm und führte zu schmerzhaften Wellen. Zum Glück hatte ich einen Bluetooth Kopfhörer, mit dem ich die Hypnose hören wollte. Leider brach die Verbindung bereits nach kurzer Zeit ab, die App war abgestürzt. Dummerweise befand sich mein Telefon in der Kliniktasche im Kofferraum, ich hatte also keine Möglichkeit, die Hypnose zu hören und kam auch jetzt nicht in die Trance.

Ich hielt mich an der Halterung über dem Fenster fest und gab mich einfach hin, tönte mittlerweile bei jeder Welle laut. Wir waren noch keine 100 m gefahren, da kam eine sehr starke Welle, etwas wölbte sich in mir vor und machte “knack” – gefühlte 20 l Fruchtwasser ergossen sich in meinen Schoß (dank Vorlage und Handtuch blieb der Sitz trocken, denn so viel war es doch nicht). Ab jetzt hatte ich so etwas wie Pressdrang. Zum Glück konnte ich dem widerstehen, ich tönte einfach alles weg. Es war ein warmer Sommerabend und wir waren mit geöffneten Fenstern losgefahren. Als wir an einer Ampel standen und die Menschen im Nachbarauto sehr verstört herüber schauten, betätigte mein Mann dann doch den Fensterheber und schloss zumindest das Fenster auf seiner Seite… Er überfuhr mindestens ein Rotlicht und hielt sich an keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Ich registrierte das alles nur aus dem Augenwinkel und mit “dem Rand meines Gehirns”. Um 21:53 Uhr fuhren wir auf das Klinikgelände.

Mein Mann parkte direkt vor dem Eingang und sprang aus dem Auto, lief zum Kreißsaal, um Bescheid zu sagen. Ich schälte mich zwischen zwei Wellen aus dem Auto und hielt mich dann daran fest. Vor der Tür saß ein Mann des Reinigungsteams und rauchte, während er lautstark telefonierte: “ja, ne, drinnen ist es relativ ruhig. Aber hier ist gerade Nachschub gekommen… Die junge Frau hält sich schon am Auto fest… Ich hoffe, die bekommt ihr Kind hier draußen, dann muss ich drinnen nicht sauber machen.” Trotz der Versenkung in meine Wellen hörte ich dies alles ganz genau, drehte mich um und fragte ihn, ob es denn noch ginge. Seine Reaktion konnte ich nicht beurteilen, ich trug keine Brille.

Mein Mann kam mit zwei Hebammen im Schlepptau zurück, die gemütlich gingen, ganz nach dem Motto “aufgeregter Ehemann bei Erstgebärender…”. Als die beiden mich hörten, beschleunigten sie jedoch ihre Schritte “oh, das drückt ja schon”, hakten mich unter und bugsierten mich in den nächsten freien Raum. Sie zogen mir die Hose aus und erstmal nur die Sweatjacke, aber ich wollte alles los werden, auch das T-Shirt, ich musste nackt sein. Sie legten das CTG an, was ich kaum noch registrierte, weil ich mich auf den Boden knien musste, so intensiv waren die Wellen nun. Mein Mann fragte die mich untersuchende Hebamme, ob der Muttermund schon ein wenig geöffnet sei, sie schmunzelte und sagte: “ich kann das Köpfchen sehen, es steht tief auf dem Beckenboden.” und zu mir: ” Du hast jetzt die Chance, aufs Bett zu gehen, sonst bekommst du dein Kind hier auf dem Fußboden, das wäre aber auch okay”. Ich krabbelte aufs Bett und kam endlich in der für mich perfekten Position an: modifizierter Vierfüßler mit auf dem aufgerichteten Kopfteil aufgestützten Armen. Mein Mann stand hinter dem Kopfteil und streichelt mich, sprach mir gut zu und hielt meine Hand – was ihm mehr half als mir, ich hätte auch gut darauf verzichten können. Ich war ganz in meine Wellen und meine Kraft versenkt. Es war überhaupt nicht mehr schmerzhaft, im Gegenteil: es fühlte sich gut an, wie das kindliche Köpfchen langsam im Becken tiefer trat und immer wieder ein Stückchen vor und zurück rutschte. Seit dieser Erfahrung kann ich mir gut vorstellen, dass es Frauen gibt, die unter der Geburt einen Orgasmus erleben.

Mit einem Ohr hörte ich dann doch mal kurz aufs CTG und konnte mir nicht verkneifen, zu bemerken, dass das Baby offensichtlich entspannt war, denn die Herzfrequenz tickerte ruhig und rhythmisch bei ca. 150bpm.

Ich legte meine eine Hand zwischen meine Beine und ertastete das Köpfchen. Die Hebamme tat nichts, außer mich zu beobachten, gelegentlich leise zu loben und anzufeuern und zu sagen, dass ich jetzt auch mitschieben dürfe. Das tat ich und spürte, wie unglaublich kraftvoll ich war. Mit wenigen Wellen war das Köpfchen geboren und mit der nächsten Welle auch der Rest meines Kindes, welches ich nun mit beiden Händen auffing, während es schon lautstark verkündete, nun geboren zu sein und an meine Brust/Bauch nahm. Es war 22:30 Uhr, die Geburt hatte keine vier Stunden gedauert.

Ich ließ mich auf meine Füße sinken und begrüßte voller Glück mein Kind, hielt es fest an mich gedrückt, Haut auf Haut. Mein Mann weinte, ich lachte, wir waren überwältigt und glücklich. Nach einer kurzen Weile traute ich mich, die Nabelschnur zu Seite zu schieben und nach dem Geschlecht zu schauen.

Die Hebamme und mein Mann halfen mir, mich umzudrehen und an das aufgerichtete Kopfende des Bettes zu lehnen. Die Nabelschnur durfte auspulsieren, bevor mein Mann sie durchschnitt. Dann krabbelte meine Tochter mehr oder weniger selbstständig an meine Brust und trank zum ersten Mal. Welch berauschendes Hochgefühl!

Erst nach weit über einer Stunde wurde sie gewogen und gemessen, bis dahin verblieben wir Haut auf Haut (danach auch wieder).

Die Hebamme, welche meine Geburt begleitet hatte, hatte eigentlich genau zum Zeitpunkt der Geburt Feierabend. Sie blieb jedoch länger, machte dann ihre Übergabe, als wir innig zu dritt das Glück genossen und kam danach noch einmal, um sich zu verabschieden. Sie bedankte sich bei mir für diese wunderschöne Geburt! Eigentlich verrückt…

Nach der vorgeschriebenen Mindestzeit machten wir uns auf den Heimweg und kurz vor vier Uhr morgens lagen wir mit unserer wunderschönen Tochter im frisch bezogenen eigenen Bett.

Früher als erwartet und stürmischer als gedacht war unsere R. auf die Welt gekommen. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu realisieren, was da innerhalb der kurzen Zeit passiert ist, es ging so irre schnell.

Im Endeffekt muss ich sagen, dass ich mir meine Traumgeburt genau so vorgestellt habe, ich wäre nur gern in die Trance gekommen. Während des Mentaltrainings habe ich immer verpasst, mir die Zeit gut einzuteilen. Ich hing gedanklich immer ewig in der Eröffnungsphase fest und musste mir dann, wenn Kristin sagt: “nun komm langsam zum Ende” schnell das Ende der Geburt vorstellen… Genau so kam es letztendlich auch. Auch dass meine Tochter drei Wochen früher, aber erst nach der zweiten Impfung kam, zeigt wie unglaublich stark der mentale Einfluss auf die Geburt und wie gut der Kontakt zum Ungeborenen ist.

Dass ich zu keiner Zeit während der Geburt in die Trance im Sinne des Kraftortes kam, war überhaupt kein Problem. Ich war in meiner eigenen Trance und das Visualisieren hat auch ohne Anleitung via Hypnose sehr gut funktioniert.

Ich bin unendlich dankbar für den Kurs, empfehle ihn regelmäßig weiter und werde auch das nächste Kind damit bekommen. Beim nächsten Kind spare ich mir allerdings den Ritt ins Krankenhaus…

 

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