Unsere friedliche Hausgeburt am 13.06.2022

Triggerwarnung: Komplikationen, Blut, Schmerz

Der Vormittag war im Vergleich zu den Tagen davor sehr ruhig. Ich hatte bereits eine Woche zuvor immer wieder starke Senk- und Übungswehen – wir dachten jeden Tag mehrmals: so, nun geht es aber wirklich los. Das war wahnsinnig nervenaufreibend, besonders weil ich, wie so viele, zum Ende hin keinen Bock mehr hatte auf schwanger sein. Ich wollte gebären, am liebsten jetzt. Ich habe Himbeerblättertee getrunken und Datteln gegessen wie ein Weltmeister. Und je ungeduldiger ich wurde, desto häufiger kreiste ich mein Becken auf dem Pezziball oder auf der Yogamatte und ging spazieren, obwohl mir das kräfte- und ausdauermäßig schon schwer fiel aufgrund der dicken Kugel und unserer Wohnung im 3. OG. Der ET rückte näher und mit jedem Tag wollte ich auf keinen Fall auch nur eine Sekunde über den ET gehen. Ich wollte meine Tochter endlich in meinen Armen halten.

Und so startete ich am 12. Juni (1 Tag vor ET) meinen Tag mit folgendem Gedanken: auf Zwang geht hier sowieso nichts. Heute schalte ich ab und besuche meine Großeltern zusammen mit meinen Geschwistern. Ich rief also meinen Mann an, der gerade auf dem Bau unseres Hauses war, und sagte ihm Bescheid, dass ich den Nachmittag über nicht zu Hause wäre. Wir würden uns dann später sehen, wenn wir beide wieder zuhause sind. Ich verbrachte also einen schönen, ruhigen Nachmittag bei meinen Großeltern und hatte im Vergleich zu den Tagen davor kaum Wehen. Ich hatte lediglich ziemlich Druck auf dem Becken beim Kaffee trinken und musste mich etwas bewegen. Ansonsten Funkstille und ich dachte: na, das kann ja was werden.

Die lässt bestimmt noch ewig auf sich warten.
Wir packten gerade die gewöhnliche Ladung Oma-Essen in unsere Taschen, als ich plötzlich spürte, wie es in meiner Unterhose sehr feucht und sehr warm wurde. Mein Blick muss Bände gesprochen haben, denn meine Geschwister und Großeltern fragten sofort, ob irgendwas los sei, ob es jetzt los ginge und ich stahl mich fix auf die Toilette mit den Worten: “keine Ahnung grad, ich bin mal kurz weg.” Im Bad sah ich, dass die Unterhose klitschnass war. Es roch nicht, es konnte kein Urin sein. Ich war mir relativ sicher, dass ich gerade Fruchtwasser verloren hatte. Ich kommunizierte dies genau so in der Familie und wir fuhren los. Mein kleiner Bruder fuhr das Auto und war völlig aufgeregt. Er fragte, ob wir jetzt ganz schnell fahren müssten und sagte deutlich, dass ich das Kind bitte nicht im Auto kriegen soll. Ich nahm meinen Geschwistern den Wind aus den Segeln und diktierte, dass wir jetzt ganz entspannt noch tanken und meinen anderen Bruder aus dem Nachbardorf abholen können. Währenddessen hielt ich mir ein Handtuch meiner Oma zwischen die Beine und merkte ziemlich schnell: jap, das läuft ohne Punkt und Komma und ist kein Stück gelblich, sondern glasklar. Ich verliere gerade Fruchtwasser. Also rief ich noch im Auto meine Hebamme an, die sich mit mir über den Geburtsbeginn freute und mir ans Herz legte, dass ich mich gleich zuhause ins Bett legen und versuchen sollte zu schlafen. Es würde eventuell eine lange Nacht werden. Wie recht sie doch hatte. Meinen Mann rief ich danach an und bat ihn beim Haus so langsam Schluss zu machen und nach Hause zu kommen. Der versuchte ganz gelassen zu klingen, was ihm nur so mäßig gelang. So holten wir also meinen Bruder ab und fuhren heim.

Zuhause zog ich meine nasse Kleidung aus und stattete meine frische Unterhose mit einer dicken Binde aus. Eine halbe Stunde später traf mein Mann zuhause ein (16 Uhr). Wir unterhielten uns und legten uns anschließend gemeinsam ins Bett um zu schlafen. Das versuchten wir zumindest, bis wir beide merkten, dass wir viel zu aufgeregt waren. Wir kamen überhaupt nicht zur Ruhe, sondern grinsten uns fast ununterbrochen an und konnten nicht in Worte fassen, wie sehr wir uns über den Geburtsbeginn freuten. Nun fangen die Dinge an, etwas zu verschwimmen. Ich konnte nach einiger Zeit im Bett und viel Fruchtwasser auf der Matratze nicht mehr liegen. Wehen hatte ich immer mal wieder, so wie die letzten Tage zuvor auch. Unangenehm, aber gut zu ertragen. Trotzdem machte ich es mir im Geburtspool gemütlich, welchen mein Mann für mich vorbereitete. Währenddessen kochte er uns Abendessen. Mit Teller voll Reispfanne in der Hand saß ich also im Pool und musste diesen immer wieder an meinen Mann abgeben, um eine Wehe zu veratmen. Dieses Mal hörten die Wehen im Pool nicht auf. So verbrachte ich einige Zeit im Pool, mein Mann am Poolrand aufgelehnt und mit der Hebamme chattend über den aktuellen Stand. “Ich sitze im Pool, es wird intensiver, aber weiterhin gut auszuhalten. Du musst noch nicht kommen, wir machen hier erstmal so weiter.” Da die Wehen im Laufe der Zeit nicht wirklich stärker wurden, diktierte meine Hebamme per Chat, dass ich aus dem Pool raus solle. Wir brauchen mehr Power, schrieb sie. Gesagt getan. Es tat sich ein bisschen was.

Es war schließlich 22 Uhr, als die Hebamme bei uns eintraf. Alle Taschen und den Geburtshocker mit dabei. Ich sagte zu ihr: “ich bin noch viel zu entspannt. Das ist noch nichts richtiges.” Sie stimmte mir zu und beschloss mir Caulophyllum zu verabreichen. Das sollte etwas Schwung ins Ganze bringen. Und das tat es. Während ich mich schon in meinem Film befand und mit Mühe und Not die starken Wehen veratmete, hörte ich meine Hebamme sagen: “ja, so klingst du gut!” Ich wuselte mittlerweile umher, vom Pezziball zur Wickelkommode zum Sofa, in der Hoffnung, eine Position zu finden, in der sich die Wehen einigermaßen aushalten ließen. Aber die Position sollte ich nicht finden, bis zum Schluss nicht. Ich war so überwältigt von der Stärke der Wehen, dass ich ziemlich früh schon sagte: ich will nicht mehr. Meine Hebamme untersuchte daraufhin den Muttermund: 4-5cm. Zwischendurch setzte ich mir in den Wehenpausen die Kopfhörer mit der Geburtshypnose auf und versuchte mich zu entspannen, nahm sie aber immer wieder ab, wenn eine Wehe kam. Irgendwie lenkte mich die Stimme ab, ich konnte mich nicht gut konzentrieren, geschweige denn etwas visualisieren. Alles Gelernte konnte ich während der Geburt nicht umsetzen. Ich war in meinem Film, war weit entfernt von Schmerzfreiheit und wollte das Ganze einfach nur hinter mich bringen.

Irgendwann fand ich mich im Pool wieder, die Wehen brachen nur so über mir ein und ich weinte und sagte: “ich kann nicht mehr. Ich will eine Narkose. Ich will einen Kaiserschnitt.” Und das war dieses Mal wirklich die Übergangsphase (um ca. 2-3 Uhr). Der Muttermund war bis auf einen ganz dünnen Rand vollständig geöffnet. Dieser Rand sollte sich bis zum Schluss halten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer mal wieder das Bedürfnis mitzuschieben. Ich wollte dieses Kind endlich gebären. Mein Mann hielt mir hier immer wieder den Duftanker hin und tatsächlich konnte ich dadurch in den Wehenpausen zur Ruhe kommen und tief durchatmen. Die starken Wehen rissen mich zwar sofort wieder aus der Hypnose raus, aber diese Sekunden, in denen ich kurz abschalten konnte, gaben mir im Nachhinein betrachtet die nötige Kraft, um weiterzumachen. Meine Hebamme fragte mich zwischendurch immer mal wieder, ob ich nicht selber mal fühlen wollte, ob ich den Kopf schon spüren konnte. Ich hatte kaum Bezug zu meinem Körper und konnte nur aushalten. Ich verneinte jedes Mal.

Irgendwann sollte ich aus dem Pool wieder raus, weil die Wehen wohl nachließen – dies spürte ich natürlich nicht, aber meine Hebamme hörte das. Ich veratmete anschließend in der Küche auf die Arbeitsplatte gelehnt sehr viele Wehen. Mein Mann war übrigens die ganze Zeit bei mir. Ich stützte mich bei jeder Wehe auf ihn oder setze mich auf seinen Schoß, während er den menschlichen Hocker für mich spielte. Nach jeder Wehe liefen Fruchtwasser und Blut aus mir heraus. Mittlerweile drückte ich während den Wehen richtig mit und irgendwann setzten auch richtige Presswehen ein. Meine Tochter machte mir den Geburtsprozess auch nicht wirklich leichter: sie bewegte sich die ganze Zeit wie wild hin und her, was zusätzlich viel Druck erzeugte. Meine Hebamme berichtete zwischendurch, dass sie beim Muttermund Tasten immer wieder spürt, wie meine Tochter den Kopf wild hin und her bewegt. Das hätte sie so auch noch nie gehabt.

Meine Hebamme fragte mich immer wieder zwischendurch, ob ich mich nicht mal aufs Bett legen wollte. Denn vielleicht bringt der Positionswechsel etwas voran. Wie sich hinterher herausstellen sollte, machte der Geburtsprozess immer dann einen Fortschritt, wenn ich mich bewegt hatte. Aber meine Antwort war immer wieder: “NEIN! Auf gar keinen Fall lege ich mich hin.” Das fühlte sich nicht richtig an. Im Liegen werde ich die Wehen nicht aushalten können, das kann ich ja sowieso schon nicht, dachte ich. Und irgendwann kapitulierte ich nach dem was-weiß-ich-wievielten Positionswechsel und legte mich aufs Bett. Und ich hatte Recht, denn dort hatte ich die stärksten Wehen überhaupt. Aber: sie sollte ebenso recht behalten. Der Kopf rutschte ein ganzes Stück weiter nach unten, das konnte ich spüren. Hier begann dann das richtige Pressen. Jedoch rutschte der Kopf immer wieder zurück. Meine Hebamme bemerkte hier, dass der Muttermund immer noch ein winziges bisschen stand. Obwohl die Austreibungsphase schon begonnen hatte. Beide Hebammen tasteten also, um sich ein Bild zu machen, teilweise auch unter den Wehen. Mein Mann weiß hier zu berichten, dass er immer wieder richtig sehen konnte, wie sich der Kopf versuchte durch die Vaginalöffnung zu schieben. Ich lag zwischen seinen Beinen und er konnte über meinen Kopf hinweg alles beobachten.

Schließlich entschieden wir uns für einen erneuten Positionswechsel. Ein Hocker neben dem Bett, damit ich nicht weit laufen musste, darauf ein Kissen, darauf mein Mann, auf seinem Schoß ich. Und in dieser Position wurde unsere Tochter am ET um 6:36 Uhr geboren. Zuerst der Kopf – “hat sie Haare?!” – “ja, total viele!” – und dann der Körper. Und dann hatte ich sie in meinem Arm. Feucht von Blut und Fruchtwasser. Endlich war sie da. “Schatz, guck, sie ist da!” sagte ich. Plötzlich war ich der glücklichste Mensch der Welt und die Schmerzen waren vergessen. Mein Mann weinte vor Glück und Erleichterung. Dieses Gefühl kann keine Droge der Welt imitieren. Es war der schönste Moment meines Lebens. Sie war geboren und schrie nicht einmal, sondern hatte sofort die Augen sperrangelweit offen und war da. Einfach da. Das war ein so wunderbarer Moment, der leider viel zu kurz weilte.

Denn leider begann ich unmittelbar nach der Geburt stark zu bluten. Leider endete die Geburt also doch noch im Kreißsaal. Ich wurde dort genäht und habe eine Nacht mit meiner Tochter auf der Wochenbettstation verbracht. Wir konnten uns anschließend in voller Ruhe und Liebe kennenlernen und ganz viel kuscheln. Den Moment nach der Geburt quasi nachholen. Ich habe mich nach dem Blutverlust schnell wieder erholt.

Wir wissen übrigens nicht, woher die Blutung kam. Und auch nicht, in welcher Position unsere Tochter auf die Welt kam. Meine Hebamme behauptet, dass sie wahrscheinlich ein Sternengucker war. Das würde die starken Schmerzen, die lange Austreibungsphase, die Geburtsverletzungen und das intuitive Ablehnen der Hypnose erklären. Sie konnte nicht sehen, wie sie rauskam, weil sie zwischen Bett und Hocker auf dem Boden hockte, während sie geboren wurde. Und was das mit dem Muttermund war, der bis zuletzt immer noch ein kleines bisschen stand, weiß auch keiner.

Im Nachhinein kann ich sagen: ich war maßlos überfordert während der Geburt. Ich hatte wahnsinnig starke Rückenwehen und fand keine Position, in der es auszuhalten war. Ich vermute auch, dass die lange Latenzphase von 1 Woche mich schon stark zermürbt hatte und ich deshalb kaum noch Kraft, weder körperlich noch emotional, für die eigentliche Geburt hatte. Ich finde es etwas schade, dass ich die Geburtshypnose als störend empfunden habe. Der Duftanker schenkte mir jedoch die ein oder andere Pause, die ich so dringend gebraucht habe.

Diese Geburt war definitiv nicht schmerzfrei. Aber sie war selbstbestimmt, ehrlich, gewaltig und laut. Sie war so, wie ich gern als Person wäre. Sie hat mich wahnsinnig herausgefordert. Sie hat mich zum positiven verändert, weil ich jetzt weiß, wie stark ich bin. Sie war trotz allem eine positive Erfahrung und ich würde immer wieder Zuhause und mit Der friedlichen Geburt gebären.

Danke, Kristin, dass ich mit jungen 23 Jahren angstfrei und mutig zuhause mein erstes Kind zur Welt bringen konnte.

Lerne meine Methode

Schritt für Schritt zu einem positiven Geburtserlebnis